Musikreviews.de bei Facebook Musikreviews.de bei Twitter

Partner

Statistiken

Porcupine Tree: The Sky Moves Sideways (Re-Release) (Review)

Artist:

Porcupine Tree

Porcupine Tree: The Sky Moves Sideways (Re-Release)
Album:

The Sky Moves Sideways (Re-Release)

Medium: CD
Stil:

Psychedelic Rock / Space Rock

Label: Snapper
Spieldauer: 48:33 (CD 1) + 60:57 (CD 2)
Erschienen: 02.08.2004
Website: [Link]

I: The Sky Moves Sideways, oder: Als Käpt'n Seetang eine Crew anheuerte.

Zur Meuterei hat es bis heute nicht gereicht, doch der Einfluss der Mannschaft auf den Kapitän ist sicherlich ein wenig größer geworden. Wo PORCUPINE TREE als fiktives Psychedelic-Rock-Artefakt der Siebziger Jahre in den Hirnwindungen eines Mannes seinen Ursprung nahm, da handelt es sich heute um eine Crew aus Fleisch und Blut, die einen – für sein Genre – beachtlichen Kommerzapparat hinter sich her zieht. Natürlich ist PORCUPINE TREE immer noch eine Kreation von Steven Wilson, so wie Moby Dick Ahabs Wal ist, doch einst war der Einfluss des Masterminds auf sein Produkt noch größer, nämlich absolut.

"The Sky Moves Sideways" kann dahingehend zumindest ideell als Wendepunkt angesehen werden, handelt es sich doch um das erste Album, dem eine vollständige Band zugrunde liegt. Kann man schon deswegen von einem Umbruch reden? Es gibt Gründe dafür und dagegen.

Dagegen spricht schwarz auf weiß ein Ausschnitt aus dem Booklet: "All titles by Wilson except "Moonloop" by Edwards, Edwin, Maitland, Wilson". Angesichts des schon mehr als halbstündigen Titeltracks bleibt ein verschwindend geringer Teil für die Gemeinschaftsarbeit übrig, und selbst der dürfte von Wilson dominiert worden sein. Nein, es hat sich nicht viel geändert an der Arbeitsweise, muss man da meinen.

Und dennoch: musikalisch lässt sich ein geradezu dramatischer Umbruch feststellen. War "On The Sunday Of Life" noch eine Kollektion von Songfragmenten eines experimentierenden Kindes, das in seiner Frühreife immerhin ein, zwei geniale Momente zu generieren vermochte, wuchs "Up The Downstair" zumindest zu einem halbwegs funktionierenden Ganzen heran. Doch erst "The Sky Moves Sideways" öffnet den Eingang zum Universum, das PORCUPINE TREE fortan schufen.

II: Handfeste Songs in ausschweifende Schleifen gebettet

Vorwerfen kann man dem Album allenfalls, das es sich mehr denn je in den Fesseln der großen PINK FLOYD befindet; rein konzeptionell nämlich gelingt Wilson im Kontext seiner neuen Band erstmals ein nahezu makelloses Werk.

Zur Besprechung liegt der Snapper-Re-Release von 2004 vor. Die Stücke "Stars Die" und "Moonloop" sind hier auf einer zweiten Disc gemeinsam mit einer zusammenhängenden 35-Minuten-Version von "The Sky Moves Sideways" untergebracht, "Moonloop" einmal als 16-minütige Improvisation und einmal als zusammenfassende Coda (5 Min.).

Formprägend für das Albumzentrum (Disc 1) ist die Aufspaltung des Titeltracks in zwei etwa gleich große Teile, die den songlastigeren Mittelteil flankieren. So entsteht eine gondelartige Struktur, deren Bug und Heck von ausschweifenden Verzierungen geprägt ist. Die Verwandtschaft mit PINK FLOYDs "Wish You Were Here" und dem darauf enthaltenen "Shine On You Crazy Diamond" ist spätestens hier nicht mehr von der Hand zu weisen.

Doch selbst in den sphärischen Traumkonstrukten, die vor allem "The Sky Moves Sideways" und (auf Disc 2) "Moonloop" bieten, verliert Wilson nie das große Ganze aus den Augen. Die eröffnende "Phase 1" ist bezeichnenderweise in vier Abschnitte untergliedert, und wer genau hinschaut, erkennt die Vorwegnahme der Struktur späterer Meisterwerke wie "Arriving Somewhere But Not Here" oder "Anesthetize": das verhältnismäßig unauffällige, aus dem BASS COMMUNION-Kosmos (das Ambient- und Drone-Nebenprojekt Wilsons formte sich ungefähr im gleichen Zeitraum) heraus entstehende "The Colour Of Air" mündet mit schunkelnder Arglosigkeit in den gesungenen Teil "I Find That I'm Not Here", und die in der Literatur gültige Regel, dass der erste Satz im Gedächtnis haften bleiben muss, schlägt sich in der Zeile "We Lost The Skyline" nieder. Dann wird es ungemütlich: treibende Rhythmen malen in "Wire The Drum" einen aufziehenden Sturm auf die Gedankenleinwand. Eine gute CD-Anlage gibt gerade in diesem Abschnitt noch mehr Geheimnisse frei und entpuppt ihn als aufregendes Herzstück einer sich wie im Zeitraffer verschiebenden Gewitterwolkenfront. Richtig übel wird es aber erst mit Einsatz der Flöte, Blitze schlagen im Affekt ein und dann – Ruhe, getragen auf der Welle einer warmen Akustikgitarre, ätherisiert durch die weiterhin beständige Synthesizer-Decke Richard Barbieris.

Ähnlich geht es am Ende der Reise im zweigeteilten "The Sky Moves Sideways Phase 2" weiter, als drone-ähnliche Konstrukte sich zu rhythmischen Gitarrensoli aufbäumen; zwischendrin der überraschende Gesang von Barbieris Frau Suzanne, dann wird es nochmals richtig noisig und am Ende – tatsächlich, Wasserplätschern, Wind, Hall. Nichts.

III: Neuarrangements

Dazwischen liegt das Nest der handlichen Fünf-Minuten-Stücke. Zwei sind uns in der 2004er-Version erhalten geblieben, zuzüglich des kurzen "Prepare Yourself"-Intermezzos. Vorbereiten soll man sich da vermutlich auf das Folgestück ("The Sky Moves Sideways Phase 2").
"Dislocated Day" sticht noch nicht besonders hervor, hat aber einen markanten, halborientalisch klingenden Instrumentalrefrain vorzuweisen sowie einen in den Strophen mit Tape-Voice singenden Wilson. Das langsame "The Moon Touches Your Shoulder" bleibt da mehr hängen: eine einfache, dafür umso griffigere Ballade mit beinahe jazzigen Zwischenpassagen, die mit einer coolen Gitarrenlinie ausläuft.

Es ist zu 75 Prozent schade und zumindest zu 25 Prozent unverständlich, dass "Stars Die", das in der Urversion direkt an zweiter Stelle platziert war, aus diesem Kontext herausgeflogen ist. Verloren ist aber nichts, da man das Stück glücklicherweise auf der zweiten CD nachgereicht bekommt. Für viele Fans einer der besten Songs der Briten, durfte "Stars Die" dem späteren Best-Of-Album aus der Zeit bei Delerium Records zu Recht seinen Titel leihen, denn in ihm wird die Magie der Einfachheit, wie PORCUPINE TREE sie meisterhaft beherrschen, am deutlichsten.

Das nachfolgende "Moonloop" vermisst man auf der ersten CD weniger, da es mit seinen ausladenden Spacerock-Passagen dem Klang des zentralen Stücks zu nahe kommt und seine Struktur ein wenig aufgebrochen hätte. Auf CD 2 ist es allerdings bestens aufgehoben, insbesondere in Kombination mit der alternativen Variante von "The Sky Moves Sideways". Dieses ist nicht nur zu einem mehr als halbstündigen Stück verschmolzen, sondern auch in Details neu arrangiert: so unterscheidet sich etwa die Eröffnung von dem Material auf der ersten CD, auch die Rhythmusuntermalung in "Phase 2" differiert deutlich. Insgesamt sind die Anteile laufzeittechnisch noch stärker zugunsten von "Phase 1" ausgefallen, dafür kommt "Phase 2" kraftvoller daher als zuvor. Beinahe schlägt die 35-Minuten-Version den Zweiteiler der Haupt-CD, würde diese nicht durch ihr Konzept punkten.

Weitere Neuerungen, die der Re-Release mit sich bringt, sind natürlich zum einen das Remastering, was für einen Technikfreak wie Wilson absolut obligatorisch ist. Zum anderen wurden endlich die Drumcomputer ersetzt, eines der großen Mankos aus der Zeit, als PORCUPINE TREE lediglich ein Synonym für Steven Wilson war. Gavin Harrisons wirbelnder, fließender Stil ist auf Anhieb ausgemacht. Zwar ist mir die Urversion nicht bekannt, doch dürfte definitiv sein, dass Harrison das Material auf ein ganz neues Level hebt.

FAZIT: So oder so ist "The Sky Moves Sideways" in der Snapper-Variante eine lohnenswerte Anschaffung. Zwar stört es, dass das herausragende "Stars Die" nicht mehr im Hauptteil enthalten ist, doch immerhin findet man es auf einer zweiten Disc. Ansonsten bietet die Neuveröffentlichung die größte Spannweite: "Moonloop" in zwei Versionen (obwohl die ursprüngliche 8-Minuten-Version fehlt), "The Sky Moves Sideways" als zusätzlicher 35-Minuten-Monolith und dazu das markante Drumming des aktuellen Schlagzeigers Gavin Harrison. Das Album stellt eine Zäsur im Schaffen der Band dar und ist über die meisten Zweifel erhaben, allenfalls noch nicht über den, ob sich PORCUPINE TREE jemals von PINK FLOYD würden lösen können. Doch dieser Zweifel sollte schon bald von einem Album namens "Signify" ausgelöscht werden…

Sascha Ganser (Info) (Review 14003x gelesen, veröffentlicht am )

Unser Wertungssystem:
  • 1-3 Punkte: Grottenschlecht - Finger weg
  • 4-6 Punkte: Streckenweise anhörbar, Kaufempfehlung nur für eingefleischte Fans
  • 7-9 Punkte: Einige Lichtblicke, eher überdurchschnittlich, das gewisse Etwas fehlt
  • 10-12 Punkte: Wirklich gutes Album, es gibt keine großen Kritikpunkte
  • 13-14 Punkte: Einmalig gutes Album mit Zeug zum Klassiker, ragt deutlich aus der Masse
  • 15 Punkte: Absolutes Meisterwerk - so was gibt´s höchstens einmal im Jahr
[Schliessen]
Kommentar schreiben
Tracklist:
  • DISC 1
  • The Sky Moves Sideways Phase 1
  • Dislocated Day
  • The Moon Touches Your Shoulder
  • Prepare Yourself
  • The Sky Moves Sideways Phase 2
  • DISC 2
  • The Sky Moves Sideways (alternate version)
  • Stars Die
  • Moonloop (improvisation)
  • Moonloop (coda)

Besetzung:

Alle Reviews dieser Band:

Interviews:
(-1 bedeutet, ich gebe keine Wertung ab)
Benachrichtige mich per Mail bei weiteren Kommentaren zu diesem Album.
Deine Mailadresse
(optional)

Hinweis: Diese Adresse wird nur für Benachrichtigungen bei neuen Kommentaren zu diesem Album benutzt. Sie wird nicht an Dritte weitergegeben und nicht veröffentlicht. Dieser Service ist jederzeit abbestellbar.

Captcha-Frage Was legt ein Huhn?

Grob persönlich beleidigende Kommentare werden gelöscht!